Genmanipuliertes Saatgut, immer weniger eigene Anbaufläche: Die Nahrungsmittelkrise in Indien ist nicht hausgemacht
Wien - Ein Großteil der landwirtschaftlichen ArbeiterInnen in Indien sind Frauen - dennoch gehört nur 10 Prozent von ihnen eigenes Land. Und das, obwohl sie 60 bis 80 Prozent der lokal konsumierten Lebensmittel produzieren. "Eine Million Menschen leiden unter Armut und Hunger. 70 Prozent davon sind Frauen", macht Suman Suman von FIAN Indien aufmerksam. "Women in Development Europe" (WIDE) hat in Wien zur Veranstaltung "Strange Food - Frauen in der Nahrungmsittelkrise" geladen, um über diese Problematik zu diskutieren.
"Verkaufen oder verpachten Regierungen an einen Investor Land, das bisher von Frauen bewirtschaftet wurde, ist für diese die Lage besonders prekär. Denn ohne formalen Landtitel bleibt ihnen der ordentliche Rechtsweg verwehrt, gegen eine ungewollte Veräußerung ihres Landes Einspruch zu erheben oder eine adäquate Entschädigung einzuklagen," erläutert Ute Straub von der Heinrich Böll-Stiftung in Berlin. Zudem werde es Frauen, die auf Grund ihres Geschlechts schon eine sozial schwächere Stellung haben, nur selten ermöglicht, einen Kredit bei einer Bank zu erhalten. Sie heuern dann oft auf Plantagen an: Die Arbeit dort ist aber saisonal begrenzt, schlecht bezahlt und zudem sehen sich viele Frauen sexuellen Übergriffen ausgesetzt.
Genmanipulierte Saat - Verzweifelte Bauern
Die Probleme sind aber auch im Anbau und in der Verteilung der Anbaufläche zu finden. Hybrid-Saatgut, das in großen Mengen in Indien angepflanzt wird, bringt zum Beispiel zunächst mehr Ertrag, braucht aber mehr Wasser, Pestizide und Düngemittel. Viele landwirtschaftliche Arbeiter treibt das in den finanziellen Ruin. "Seit den 90er Jahren haben Millionen von Bauern Selbstmord begangen", zeigt Suman Suman von FIAN Indien auf.
Auch die Anbaufläche, um den Nahrungsmittelbedarf weltweit zu decken, wird immer kleiner, wie Ute Straub schildert: "56 Millionen Hektar werden verkauft oder verpachtet, vor allem in Asien und Afrika. In Ländern wie dem Sudan oder Äthiopien ist die Bevölkerung selbst von Hunger betroffen." Das verschärfe einerseits Landkonflikte, andererseits werde die lokale Bevölkerung verdrängt und weiter marginalisiert, so die Expertin.
Europäische Agrarreform
Die Nahrung müssen sich diese Länder wieder aus dem Ausland holen. Die Preissteigerungen treffen jedoch vor allem die Länder, die auf Importe angewiesen sind. "Hier spielt auch die EU eine Rolle", sagt Karin Küblböck von der Österreichischen Forschungsstiftung für internationale Entwicklung.
Eine Reform der europäischen Agrarpolitik ist geplant, im November will die Europäische Kommission erstmals Vorschläge vorstellen. Bis 2013 soll sie eingeführt werden. "Die Politik muss sich ihrer internationalen Verantwortung bewusst sein und nicht den Weltmarkt mit Agrarprodukten mit subventionierten Preisen, die unter dem Weltmarktpreis liegen, überschwemmen", sagt Straub.
In diesem Rahmen wurde die österreichische Regierung von WIDE auch aufgefordert, sich für einen Vorrang von "fair trade" vor "free trade" im Welthandel einzusetzen. Das betreffe den Bereich der Finanzmärkte und Investitionen ebenso wie den Agrarhandel, öffentliche Beschaffung und Patentrechte. (jus, derStandard.at, 19. Oktober 2010)
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