Donnerstag, 30. September 2010

Präsidentin der europäischen Lebensmittelbehörde gehört zur Gentech-Lobby

Utl.: Greenpeace fordert die Einrichtung einer unabhängigen Lebensmittelbehörde =

Wien (OTS) - Die Umweltorganisation Greenpeace übt heftige Kritik
an der gestern bekannt gewordenen Doppelrolle der Präsidentin der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Prof. Diana
Bánáti. Diese sitzt nämlich gleichzeitig im Vorstand des ILSI
(International Life Sciences Institut), einer großen
Lobby-Vereinigung der Gentech-Industrie. Bislang wurde dieser
Interessenskonflikt von Diana Bánáti verschwiegen. José Bové,
Mitglied der Grünen Fraktion im Europäischen Parlament, hat diese
Verbindung nun aufgedeckt. "Die Gentech-Industrie hat ihre Leute
inzwischen bis in die Spitze der wichtigsten Lebensmittelbehörde, der
europäischen EFSA, geschleust. In dieser Form ist die EFSA nicht mehr
als eine Alibi-Einrichtung zur Scheinprüfung von Gentech-Pflanzen. In
Anbetracht der Lage brauchen wir ein sofortiges EU-weites Moratorium
auf alle weiteren Gentech-Zulassungen", kommentiert Philipp Strohm,
Gentechnik-Sprecher von Greenpeace.

Die Ungarin Prof. Diana Bánáti ist seit Juli 2008 Präsidentin der
europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Die Aufgabe der EFSA
ist es, auf wissenschaftlicher Basis die Sicherheit von Lebensmitteln
für rund 500 Millionen Menschen in Europa zu prüfen. ILSI hingegen,
ist eine der größten privaten Lobby-Vereinigungen der
Gentechnik-Industrie. Sie besteht aus Mitgliedern wie Monsanto,
Bayer, BASF oder Syngenta. Bánátis Position innerhalb dieser
Vereinigung widerspricht direkt ihrem Amt als Präsidentin der EFSA.

Die EFSA hat seit ihrem Bestehen noch keine einzige
Gentech-Pflanze abgelehnt. Der Beurteilung der EFSA entsprechend,
schlägt die Europäische Kommission die jeweilige Pflanze den
Mitgliedstaaten zur Zulassung vor. Hier gab es in der Vergangenheit
häufig Streit, da einige Staaten, darunter Österreich, das Risiko des
Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) erkennen. Um
diesen Streit zu umgehen, hat die Kommission jetzt vorgeschlagen, den
Anbau in Zukunft nationalstaatlich zu regeln. Greenpeace sieht in
dieser Vorgehensweise Gefahren. Der Vorschlag würde zwar die
Möglichkeiten Österreichs für Verbote von GVO erweitern, insgesamt
würde dadurch aber der Anbau von GVO in Europa steigen, da
GVO-freundliche Länder dann leichter anbauen könnten.

"Gentech-Pflanzen sind ein internationales Problem, wir brauchen
daher auch internationale Lösungen. Der erste Schritt wäre eine
unabhängige Lebensmittelbehörde einzurichten, die für die Sicherheit
der Menschen arbeitet, nicht für sichere Umsätze der
Gentech-Industrie", fordert Strohm abschließend.

Rückfragehinweis:
Philipp Strohm, Gentechniksprecher Greenpeace, +43 664 612 67 21
Melanie Beran, Pressesprecherin Greenpeace, +43 664 612 67 18

Dienstag, 7. September 2010

Pflanzen aus der Retorte - der Streit um die grüne Gentechnik

Prof. Dr. Gerhard Wenzel, Dekan am Wissenschaftszentrum Weihenstephan, Anja Sobczak vom Münchner Umweltinstitut, Prof. Dr. Julia Welzel, Chefärztin am Allergiezentrum der Hautklinik Augsburg und Dr. Georg Kääb von der BioM Biotech Cluster Development GmbH im Gespräch mit Dr. Petra Herrmann.


alpha-Forum Wissenschaft Pflanzen aus der Retorte - der Streit um die grüne Gentechnik

Viele Verbraucher stehen gentechnisch verändertem Obst- und Gemüse kritisch gegenüber oder lehnen solche Lebensmittel sogar komplett ab. Zu Recht - finden Verbraucherschutzorganisationen wie das Münchner Umweltinstitut, die immer wieder auf die Risiken von "Gen-Food" hinweisen und sich seit Jahren für eine bessere Kennzeichnung stark machen. Wissenschaftler dagegen sehen in der Technologie große Chancen. So könnten zum Beispiel Nutzpflanzen geschaffen werden, die höhere Erträge liefern, mit weniger Wasser auskommen oder nicht so anfällig für Pflanzenkrankheiten und Schädlinge sind. Ist die "grüne Gentechnik" somit nur die moderne Fortführung der klassischen Pflanzenzüchtung?


Seit mehr als zehntausend Jahren beschäftigt sich der Mensch damit, Wildpflanzen zu kultivieren - also nach seinen Vorstellungen zu verändern und zu verbessern. Bislang geschah dies vorwiegend durch Züchtung, durch das Kombinieren von Pflanzen nach bestimmten Qualitätskriterien. Seit jedoch Mitte der neunziger Jahre die Gentechnik in den Laboren der internationalen Agrarkonzerne zugelassen wurde, besteht die Möglichkeit, gezielt in das Erbgut von Nutzpflanzen einzugreifen. Dadurch ist es zum Beispiel möglich, innerhalb kürzester Zeit positive Eigenschaften hervorzuheben und negative auszuschalten. Auf diese Weise können Pflanzen exakt an ihre Umgebung angepasst werden. Ein großer Vorteil vor allem für Regionen, die von starker Trockenheit geplagt oder wo die Böden sehr nährstoffarm sind. Wenn die Weltbevölkerung wächst wie bisher und sich das Klima weiter verändert, führt kein Weg an der grünen Gentechnik vorbei - so die Befürworter.

Doch die gentechnische Veränderung von Pflanzen ist nicht ohne Risiko. Besonders Allergiker, deren sensibler Organismus oft wie ein Frühwarnsystem auf Umwelteinflüsse reagiert, könnten dadurch ernste Probleme bekommen. Da beim Eingriff in das pflanzliche Erbgut neue Eiweißstoffe entstehen können, gelangen auch neue, potentielle Allergene in die Nahrungskette. So haben Wissenschaftler in den USA vor einigen Jahren versucht, eine neue Sojabohnensorte mit höherem Nährwert zu entwickeln. Dazu wurde ein Gen eines Paranuss-Eiweißes isoliert und in das Soja-Erbgut eingeschleust. Doch die Paranuss gilt als ein starker Allergieauslöser. Weil das Allergierisiko bei den Zulassungstests zu groß war, musste die Entwicklung der Sojabohne wieder eingestellt werden. Auf der anderen Seite jedoch könnten durch Gentechnik auch Allergene gezielt ausgeschaltet werden. Bestimmte Pflanzen und Produkte würden dadurch für Allergiker erst genießbar.

Die USA sind der größte Produzent von gentechnisch veränderten Nahrungs- und Futtermittelpflanzen. Als häufigste "Genpflanzen" gelten Mais, Raps, Baumwolle und Soja. Verbraucherorganisationen suchen in Supermärkten deshalb gezielt nach Produkten, die Bestandteile dieser Pflanzen enthalten und aus den USA importiert wurden. Dabei entdecken sie auch auf dem deutschen Markt immer wieder gentechnisch veränderte Organismen, so genannte "GVO". Rechtlich ist gegen solche Produkte nichts einzuwenden, solange sie gekennzeichnet sind. Auch wird man davon natürlich nicht gleich krank. Allerdings gibt es bislang keine langfristigen Studien mit genveränderten Lebensmitteln beim Menschen - entsprechend wage sind die Erkenntnisse.

Welche Gefahren, aber auch welche Chancen in der grünen Gentechnik stecken - darüber diskutiert Petra Herrmann mit Prof. Dr. Gerhard Wenzel, Botaniker am Wissenschaftszentrum Weihenstephan, Anja Sobczak vom Münchner Umweltinstitut, Prof. Dr. Julia Welzel, Chefärztin am Allergiezentrum der Hautklinik Augsburg, sowie mit Dr. Georg Kääb von der BioM Biotech Cluster Development GmbH in Martinsried.

Hier ist das gesamte Gespräch