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In der EU werden vermehrt gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Für Biobauern kann der Pollenflug das Aus bedeuten.
Eigentlich war Enric Navarros jüngste Maisernte gut. Doch der spanische Biobauer sah keine andere Möglichkeit, als sie vollständig zu verbrennen. Als Bioprodukt konnte er den Mais nicht mehr verkaufen – in seiner Ernte wurden über zehn Prozent genetische Verunreinigung nachgewiesen.
Navarro war ruiniert. Und nicht nur er.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte den Mais von 40 Bauern untersucht. In jeder vierten Probe wurde verändertes Erbmaterial gefunden – obwohl sich alle Bauern gegen den Anbau von genetisch verändertem Mais entschieden hatten. Ihr Pech: Auf Nachbarfeldern war die einzige in der Europäischen Union zugelassene Sorte Genmais (Mon 810) des amerikanischen Agrarkonzerns Monsanto ausgesät worden. Und weil die Natur kein geschlossenes Labor ist, landeten immer wieder Mon-810-Pollen auf dem natürlichen Mais – und verunreinigten die Ernte der Biobauern.
3500 Gemeinden und 170 Landkreise in der EU haben sich inzwischen zu »genfreien Zonen« erklärt. Ihre Vertreter kommen diese Woche im Brüsseler Parlament zusammen. Erstmals tagen sie in der »Höhle des Löwen«, wie es der Mitveranstalter Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft nennt. »Wir wollen auf den Zentralismus in Brüssel aufmerksam machen«, sagt er. »Und natürlich auf uns.«
Wird es etwas nützen? Das Problem des Nebeneinanders von gentechnisch verändertem und natürlichem Saatgut ist alt. Die USA waren 1996 die ersten, die Genmais zuließen. 1998 erlaubte dann auch die EU deren Anbau – für kurze Zeit. Schon nach den ersten Feldversuchen kam Panik auf, die grüne Gentechnik auf dem Acker schien unkontrollierbar. Noch im selben Jahr vereinbarten die EU-Mitgliedsländer ein Moratorium.
Das hielt bis 2004. Dann erklärte die Welthandelsorganisation WTO den Bann für rechtswidrig. Seitdem hat die EU zwar halbwegs geregelt, unter welchen Bedingungen gentechnisch verändertes Saatgut für den Anbau oder den Import zugelassen wird. Wie man aber mit dem Nebeneinander von modifiziertem und natürlichem Saatgut auf den Feldern Europas umgeht, ist bis heute ungeklärt. Bislang bestimmen darüber die Mitgliedsstaaten – oder eben nicht.
Dabei, das zeigt der Fall des spanischen Bauern Navarro, wäre der Bedarf für einheitliche Regeln groß. Neben Spanien wird Mon 810 noch in Frankreich, Tschechien, Portugal, Deutschland und der Slowakei verwendet. Die Anbauflächen werden größer, der Informationsdienst TransGen schätzt, dass sie sich in der EU in diesem Jahr auf rund 120000 Hektar fast verdoppeln dürften.Das ist zwar nur ein Prozent der gesamten Ackerfläche in der Union. Dennoch wächst die Gefahr der Verunreinigung traditioneller Pflanzen.
»Wir wollen endlich klare Haftungsregeln in der EU«, fordert der EU-Parlamentarier Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der einen Bioland-Betrieb in seinem Heimatdorf Baringdorf in Westfalen führt: »Ich sehe nicht ein, dass andere Geschäfte auf unsere Kosten machen.« Denn wer mehr als 0,9 Prozent ungewollt gentechnische Vermischung in seinem Produkt entdeckt, muss es als solches kennzeichnen. Das aber senkt den Verkaufswert enorm, ohne dass man dafür entschädigt wird.
Also steht nun der Marsch in die »Höhle des Löwen« an.
Der Löwe ist die EU-Kommission. Deren Zulassungsverfahren sei undurchsichtig, manipulativ und zu industriefreundlich, kritisieren die »Genfreien«. Wenn eine Firma wie Monsanto, BASF oder Bayer ein gentechnisch verändertes Produkt auf den europäischen Markt bringen will, muss sie durch ein kompliziertes Prozedere gehen. Zunächst stellt sie den Antrag in einem Mitgliedsland. Finden die dortigen Behörden das neue Produkt unbedenklich, schicken sie es an die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im italienischen Parma. Diese Behörde signalisiert ihre Zustimmung dann an die Kommission in Brüssel. Und die lässt das Ergebnis von einem Kreis von nationalen Experten beraten und darüber abstimmen. Spätestens nun wird es endgültig vertrackt: Die Gesandten einigen sich selten – und fragen im Zweifel wieder ihre heimischen Minister. Doch auch die haben sich seit 2004 nur gegen, aber noch nie mit Mehrheit für ein Produkt ausgesprochen. Gibt es aber kein klares Votum seitens der Minister, entscheidet die Kommission allein über die Einführung. Und die gibt dann in vielen Fällen grünes Licht.
»Es kann nicht sein, dass die Kommission als nicht demokratisch gewähltes Organ Entscheidungen über die Zukunft unserer Landwirtschaft fällt«, kritisiert Marco Contiero von Greenpeace dieses Verfahren. Von insgesamt 86 Anträgen auf die Zulassung von Genprodukten sind 30 genehmigt worden, darunter der Anbau für Mon 810 und der Import für gentechnisch veränderte Baumwollsorten, Blumen, Mais, Raps und Soja. Dabei konnte Greenpeace vor Kurzem eine Studie vorstellen, die zeigt, dass das von der Kommission freigegebene Produkt Mon 863 bei Ratten zu Veränderungen in Niere und Leber führt. Einzelne Mitgliedsstaaten versuchen denn auch, sich dem Zulassungsautomatismus zu widersetzen: Österreich und Ungarn haben ein nationales Verbot von Mon 810 durchgesetzt – gegen den Protest der Kommission.
Die internationale Biotech-Lobby lässt sich von den europäischen Wirrungen nicht beeindrucken: »2006 hat die landwirtschaftliche Nutzung von gentechnisch verändertem Saatgut die Grenze von 100 Millionen Hektar überschritten«, feiert sich die Lobbygruppe ISAAA. 10,3 Millionen Bauern in 22 Ländern – vorneweg in den USA, Argentinien, Brasilien, Kanada, Indien und China – nutzen manipulierte Pflanzen. Auch in der EU gibt es einen eindeutigen Trend. In Deutschland wird im laufenden Jahr auf etwa 2000 Hektar Genmais angebaut werden, doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. Spanien wird seine Anbaufläche von 60000 auf 70000 Hektar ausweiten.
Die Gesetzgeber allerdings drücken sich weiter davor, das Nebeneinander von gentechnisch verändertem und natürlichem Saatgut zu regeln. Man beginne damit, an Leitlinien für den Maisanbau zu arbeiten, heißt es in der Kommission. Ein Gesetzesvorschlag sei aber nicht geplant. Gut möglich, dass dies auf Kosten von Europas »grüner Landwirtschaft« gehen wird, die eigentlich eine Vorreiterrolle beim internationalen Biolandanbau spielen sollte. »Der ideologische Kampf pro oder contra Genanbau ist längst verloren«, sagt Biolandwirt und EU-Parlamentarier Graefe zu Baringdorf. »Jetzt geht es allein um unsere Existenz.«
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http://www.greenpeace.at/927.html
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